Jeder Unfall ist tragisch, vor allem, wenn man selber gar nicht daran Schuld war. Doch wenn man dann im Krankenhaus auch noch falsch behandelt wird und deshalb noch schwerer verletzt wird, spielen sich plötzlich zusätzlich ganz andere Dramen ab. Außerdem muss dann erst einmal abgeklärt werden, wer wieviel Schuld hat und schlussendlich für den Schaden aufkommt...

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Zuerst gab es nur einen Schuldigen

Beim Überholen hatte der Pkw-Fahrer das ihm entgegenkommende Motorrad schlichtweg übersehen. Es kam zum Zusammenstoß, wobei der Motorradfahrer anschließend mit seiner Maschine gegen einen Mast knallte. Dabei brach er sich mehrere Rippen und erlitt eine Lungenquetschung. Mit lebensgefährlichen Verletzungen wurde der Mann in ein Krankenhaus gebracht.

Ein Unglück kommt selten allein!

Als wäre das nicht schon genug, fiel zwei Tage, nachdem er im Krankenhaus intubiert worden war, das Beatmungsgerät aus. Der Oberarzt war mit der plötzlich auftretenden Situation überfordert und reagierte falsch. Die Folge: Der 42-jährige Motorradfahrer erlitt einen Hirnschaden und liegt seitdem im Wachkoma – ob sich sein Zustand noch jemals bessern wird, weiß niemand.

Zwei Schuldige sind einer zu viel...

Die Haftpflichtversicherung des Pkw-Fahrers zahlte zunächst anstandslos, da am eigentlichen Unfall ihr Versicherungsnehmer Schuld gewesen war. Doch als der Motorradfahrer ins Wachkoma fiel, wollte sie ihr Geld vom Krankenhaus zurück, da ihrer Meinung nach der Arzt schuld am Hirnschaden sei. Ohne diesen Fehler hätte der Patient im Zweifel längst wieder auf den Beinen sein können.

Krankenhaus muss 100 % übernehmen

Und das Gericht sah es genau so: Zwar hatte das Landgericht in der ersten Instanz „nur“ 70 % der Schuld beim Krankenhaus gesehen - die anderen 30% sollte die Versicherung übernehmen, da deren Versicherungsteilnehmer den Motorradfahrer überhaupt erst in die Klinik gebracht hätte.

Doch das Oberlandesgericht Oldenburg sah das anders: Seiner Meinung nach waren die „Ursprungsverletzungen“ vergleichsweise gering gewesen - die 100%ige Schuld des Hirnschadens läge alleine in der Verantwortung  der Klinik, die Schuld des Pkw-Fahrers träte hinter der des Arztes komplett zurück. Das Krankenhaus muss deshalb die kompletten 275.000 Euro Schmerzensgeld übernehmen.

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Textbezogene Paragraphen / Urteile:
OLG Oldenburg, Urt. v. 8.7.2015, 5 U 28/15 

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