Was war geschehen:
Die Frau war in Berlin auf dem Radweg rechts an einer Bushaltestelle vorbeigefahren, als ein Bus hielt und die Fahrgäste ausstiegen. Sie kollidierte dabei mit einem der Aussteigenden, stürzte und verletzte sich an der Lendenwirbelsäule. Sie musste operiert werden, lag 16 Tage lang im Krankenhaus und war vier Monate lang arbeitsunfähig. Darauf verklagte die Radfahrerin den Busfahrgast auf Schadenersatz und Schmerzensgeld.
Kommt der Bus, ist Vorsicht geboten
Doch das Urteil ging in eine andere Richtung als erwartet: Die Richter sahen das Hauptverschulden bei der Fahrradfahrerin.
Zwar hätte auch der Fußgänger sich regelwidrig verhalten, als er den Radweg betrat, ohne auf den Fahrradverkehr zu achten, doch die Radfahrerin hätte nur dann rechts am haltenden Bus vorbeifahren dürfen, wenn jegliche Gefährdung der Fahrgäste ausgeschlossen gewesen wäre.
Mehr als Schrittgeschwindigkeit ist nicht drin
Das Gericht verwies darauf, dass dies besonders in der Straßenverkehrsordnung (StVO) geregelt sei: Paragraph 20 Abs.2 der StVO verpflichte den, der rechts am Bus vorbeifahre, zu erhöhter Aufmerksamkeit. Erlaubt ist nur Schrittgeschwindigkeit – und auch diese nur, wenn keine Kollisionsgefahr mit Fahrgästen besteht. Diese dürfen auch nicht beim Aussteigen behindert werden. Gegebenenfalls muss der Vorbeifahrende warten. Die Radfahrerin habe damit eine der „Kardinalpflichten“ des Straßenverkehrs verletzt.
Bremsen, auch wenn man sich im Recht fühlt
Denn nach Paragraph 1 der StVO muss sich jeder im Straßenverkehr so verhalten, dass niemand anderer verletzt oder gefährdet wird. Vorsicht und Rücksicht sind auf andere sind ausdrücklich gefordert. Dies gilt auch dann, wenn man der Meinung ist, Vorfahrt zu haben oder im Recht zu sein. Auch Radfahrer, die vorschriftsmäßig einen Radweg benutzen, müssen daher in bestimmten Situationen erhöhte Vorsicht walten lassen, zum Beispiel an Bushaltestellen.
Textbezogene Paragraphen / Urteile:
Kammergericht Berlin, Urteil vom 15. Januar 2015, Az.: 29 U 18/14