Die Angeklagte hätte es wissen müssen: denn sie ist zugleich Hebamme UND Ärztin. Doch weil sie eine überzeugte Verfechterin der Hausgeburt ist und eine hochschwangere Frau partout nicht in ein Krankenhaus einliefern lassen wollte, hat sie nun den Tod eines Babys zu verantworten. Denn die rechtzeitige Einweisung hätte das Kind gerettet…

Babyhand-umklammert-Finger-pixabay.jpg

Das Risiko einer Totgeburt hätte die Frau niemals ignorieren dürfen

Hat sie aber wider besseren Wissens!

Das Unbegreifliche: als erfahrene Ärztin und Hebamme hatte sie sehr wohl erkannt, dass sich das Ungeborene in einer sogenannten "Beckenlage" befand – also nicht mit dem Kopf in Richtung Geburtskanal, sondern mit seinem Po.

In vielen Fällen ist bei dieser Lage ein Notkaiserschnitt erforderlich – doch der kann nur unter klinischen Bedingungen vorgenommen werden, niemals zu Hause. Und obwohl die Angeklagte das als Ärztin selbstverständlich wusste, riet sie der jungen Mutter zu einer „natürlichen Geburt“. Dabei verharmloste sie die Risiken.

Bis zuletzt rechthaberisch

Sogar als es zu einem lebensbedrohlichen Sauerstoffmangel beim Kind kam, dachte die Angeklagte gar nicht daran, einen Nottransport in das nächste Krankenhaus zu veranlassen.

Nur um das noch einmal zu verdeutlichen: Wir reden hier von einem insgesamt 17-stündigen Geburtsvorgang, bei dem die ganze Zeit klar war, dass sich das Kind in Beckenlage befand. Schlußendlich starb das Baby - ein kleines Mädchen - an Sauerstoff-Unterversorgung. Ein Gutachten stellte später fest, dass das Kind überlebt hätte, hätte die Ärztin schneller und anders reagiert und die Mutter in eine Klinik gebracht.

Zeit genug hätte sie gehabt...  

Deshalb verurteilte das Landgericht Dortmund sie zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und neun Monaten wegen Totschlags durch Unterlassen.

Zudem wurde gegen sie ein lebenslanges Berufsverbot verhängt und die Schmerzensgeldansprüche der Eltern des toten Babys konnten gleich im Strafprozess mit verhandelt werden ("Die Tabelle der Schmerzen" ). Man nennt diesen speziellen Vorgang ein sogenanntes „Adhäsionsverfahren“.

…und uneinsichtig bis zum BGH

Doch ☞ die Medizinerin wollte bis zum Schluss nicht einsehen, etwas falsch gemacht zu haben und ging in Revision. So dass am Ende der Bundesgerichtshof bestätigen musste: Das Landgerichts-Urteil ist korrekt und damit rechtskräftig. Die Frau wird nie mehr ein Baby und dessen Mutter gefährden.

Das könnte Sie auch interessieren:
☞ So gehen Sie gegen Behandlungsfehler Ihres Arztes vor

 

 


Textbezogene Paragraphen / Urteile:
Landgericht Dortmund, Urteil vom 1. Oktober 2014 –  37 Ks 3/11
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11. Mai 2016 – 4 StR 428/15

Finden Sie hier den passenden Anwalt in ihrer Nähe: