Gericht & Urteil

Warum der Staat jetzt 197.130 Unterhosen kaufen muss

Das wird Thomas Kutschaty, dem Justizminister von NRW (SPD), mächtig stinken: Er muss jetzt dafür sorgen, dass neue Unterhosen angeschafft werden. Warum? Weil Häftlinge Anspruch auf täglich frische Unterwäsche haben, diese aber bisher nicht bekamen. Die hochgerechneten Kosten? Schlappe 1,5 Mio. Euro...

Unterhose_unsplash

In westfälischen Haftanstalten galt bisher die Regel: Ein Häftling erhält einmal in der Woche vier Unterhosen und zwei Paar Socken zum Wechseln. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang: Strafgefangene dürfen in der Regel nur zweimal pro Woche duschen. Dass diese Verfahrensweise mit zeitgemäßer Hygiene nicht einmal Ähnlichkeit hat, interessierte die Anstaltsleitungen herzlich wenig. Ganz im Gegenteil: Man war sogar drauf und dran, die wöchentliche Wäscheration noch weiter einzudampfen.

Strafgefangene dürfen sich wehren

Folglich wurde das Gesuch eines 60-jährigen Gefängnisinsassen, täglich die Wäsche zu wechseln, abgelehnt. Er konnte sich jetzt aber vor Gericht durchsetzen: Das Oberlandesgericht Hamm hat zu seinen Gunsten entschieden (1 Vollz (Ws) 365/14) – und damit im Sinne aller Häftlinge! 
Wenn solche Missstände in allen deutschen JVAs vorherrschen, ergibt sich eine bemerkenswerte Rechnung. Denn wahrscheinlich verfügen Deutschlands JVAs gar nicht über so viele Wäschestücke, wie sie künftig an die Gefangenen ausgeben müssen. 

Neuanschaffung für 1,5 Mio. Euro

Eine Neuanschaffung ist unumgänglich. Und weil es bundesweit 65 710 Strafgefangene gibt (Stand: 31. März 2014), und wenn für jeden einzelnen pro Woche drei Unterhosen und fünf Paar Socken fehlen, muss jetzt die entsprechende Zahl nachgekauft werden.
In Zahlen: 197 130 Unterhosen und 328 550 Paar Socken. Hochgerechnete Kosten: 1 445 620 Euro. Eine Summe, die von den Justizministerien der Länder erst einmal locker gemacht werden muss.
Ob der Anteil, den die NRW-Justiz zu stemmen hat, bei einem Ausgabenetat von 3,6 Milliarden Euro (Quelle: NRW-Gesetzesentwurf zum Haushaltsplan 2014) auffällt, ist allerdings fraglich.

Saubere Wäsche macht bessere Menschen

Übrigens betonte das Oberlandesgericht Hamm ausdrücklich, dass ein Häftling durch eine unzureichende Versorgung mit Unterwäsche nach der Haftentlassung Probleme bei der Wiedereingliederung in den Alltag bekommen könne. Um ihn an die gesellschaftlich anerkannten Normen zu gewöhnen, sei die tägliche Versorgung mit frischer Unterwäsche zwingend erforderlich.  

Textbezogene Paragraphen / Urteile:
Oberlandesgericht Hamm (1 Vollz (Ws) 365/14)

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